Housesitting in Schottland: Unsere Zeit in einem Anwesen aus dem 18. Jahrhundert

Seit Mai 2021 sind wir auf Weltreise, sind durch 13 Länder mit nichts weiter als unseren Rucksäcken gereist und haben eine Menge Erfahrung mit Housesitting während der Reise sammeln dürfen.
Wir konnten in den unterschiedlichsten Ländern und Städten auf tolle Häuser, Wohnungen und wunderbare Haustiere aufpassen. 

Aber ganz sicher: Unser Housesit in Schottland war unglaublich!
Für drei Wochen konnten wir auf ein “Haus” aufpassen, das definitiv mehr als ein Schloss durchgehen würde. Mitten im Grünen, in stille gelegen, ein ganzes Anwesen erbaut im 18. Jahrhundert. Mit mehreren Flügeln, einer eigenen Kapelle, einem Fitnessstudio, dem eigenen kleinen Kinosaal, ja sogar einem kleinen Ballsaal. Wir waren sprachlos.

In diesem Beitrag möchte ich euch einfach ein wenig mitnehmen durch die hohen Wände und vielen Zimmer dieses Anwesens. Möchte euch ein wenig mitnehmen in die großartigen Erfahrungen und Möglichkeiten mit Housesitting. 

Drei Wochen Housesitting in einem Anwesen in New Lanark

Über die Plattform Trusted Housesitters* wurden wir von der Besitzerin kontaktiert, ob wir nicht Lust hätten nach Schottland zu kommen, um auf Haus, Hof und Tiere Acht zu geben. Aufmerksam wurde sie auf unser Profil durch die vielen positiven Bewertungen, die wir auf Reisen durch andere Housesits bereits sammeln konnten. Überlegt haben wir nicht lange, wir wollten immer schon nach Schottland, also haben wir uns dazu entschieden einen Flug nur mit Handgepäck* im Oktober nach Schottland zu buchen. Und damit ging es nach New Lanark, in ein wunderschönes Anwesen, ruhig gelegen, mit der Verantwortung für zwei Katzen und drei Hunde, während die Besitzerin selber auf Reisen war.

Eine aufgeweckte Rasselbande aus fünf Haustieren und gefühlt haben wir uns wie bei den Bremer Stadtmusikanten. Wieso ich das sage? Waren wir mit den Hunden spazieren, kamen die Katzen automatisch hinterhergelaufen. Genau, alle in einer Reihe, wie die Bremer Stadtmusikanten eben. Und nein, keine Leine für die Katzen, aus ganz freien Stücken liefen sie mit uns durch den kühlen Wald. Sie schnurrten, sie waren verschmust, sie waren mittendrin statt nur dabei. Die Hunde ganz genauso, immer auf der Suche nach Nähe und Kuscheleinheiten. Mit uns gemeinsam auf dem Sofa, wenn die Kerzen brannten und im besten Fall Harry Potter mit herbstlich, winterlicher Stimmung lief.

Eine Reise in vergangene Zeiten

Am Flughafen in Edinburgh wurden wir von der Besitzerin ganz herzlich und lieb empfangen und sind dann für eine Stunde zu ihrem Haus in New Lanark gefahren. Den ersten Eindruck des Landes also bereits hier mit der Herzlichkeit, Wärme, die Freude und das Lächeln der Schotten. Mitten im Oktober, es ist Herbst, wir fahren vorbei an weiten Wiesen und Feldern, Kühe stehen herum, der Himmel ist mal bedeckt und in der nächsten Sekunde scheint wieder die Sonne. Immer weiter rein ins Landesinnere, bis wir das Ortsschild von New Lanark sehen, der Ort, in dem wir die nächsten Wochen leben werden. Noch ein paar Minuten weiter und wir biegen ab auf einen kleinen Schotterweg im Wald, wenige Kurven später sehen wir es: das Anwesen. Ein altes Gebäude, hohe Wände, Prunk, mehrere Flügel, ein wunderschöner Hof mit Blick ins Tal und rechts neben mir sehe ich eben noch Rehe im Wald verschwinden. 

Nur ein Flügel des Anwesens war bewohnbar, denn gerade befindet sich alles im Umbau. Das Gebäude gehörte einmal ihrem Urgroßvater, erbaut im 18. Jahrhundert, als jemand, der viel Geld in der Kohlebranche verdiente und seinen Reichtum präsentieren wollte. Nach vielen Jahren wechselte das Anwesen aber den Familienbesitz, wurde nicht mehr gepflegt und es verkam. Erst kürzlich, vor wenigen Jahren wurde eine Anzeige zum Verkauf geschaltet, die Familie wurde darauf aufmerksam und hat beschlossen es zu kaufen. Hier stehen wir also, verantwortlich für ein riesiges Anwesen, mitten im Aufbau. Der Zahn der Zeit nagt an vielen Stellen und dennoch: Ein Ort zum Verlieben. Mit Geschichte, Erinnerungen und tausenden Details zum Entdecken.

Unser Weg zur Waschmaschine hat erstmal schon ein paar Minuten Laufen und Verlaufen in Anspruch genommen, weil wir von einem Flügel zum anderen laufen mussten. Und wenn wir einmal dabei waren uns zu verirren, dann haben wir auch direkt die unterschiedlichen Flügel mit den unterschiedlichsten Zimmern erkundet. Da hätten wir einige Schlafzimmer, einige Bäder, einige Ankleidezimmer und generell so einiges in doppelter Ausführung, wie sich das eben für ein Anwesen gehört. Wir laufen runter in den eigenen kleinen Kinosaal und vorbei am Fitnessstudio. Wir laufen die Wendeltreppe hinauf auf einen Balkon mit Blick über die gesamte Weite der Anlage. Ein Grundstück, mit alten Bäumen, Rehen, die auf der Wiese stehen und einem Fluss, der in der Ferne rauscht. Wollen wir zur nächsten Tür hinaus, kreuzen wir erst einmal einen Speisesaal, mit einem Tisch so groß, dass würden wir jeweils an den Enden sitzen, müssten wir laut über die vielen Kerzenständer hinweg rufen, um uns zu verstehen. Einmal rechts herum lädt ein großer Kamin mit einem bequemen Sofa zum Verweilen ein, eine große hölzerne Tür daneben mit Ornamenten. Wir gehen hinein und stehen in einem Zimmer mit alten Ohrensesseln, einem einladenden großen Sofa vor dem nächsten herrlich angelegten Kamin mit dem Duft der frischen Holzscheite darin. Die unterschiedlichsten Whiskyflaschen sammeln sich auf einem großen Tisch und der gesamte Raum wird hell durchflutet durch große Glasfenster. Habe ich schon den hauseigenen Ballsaal erwähnt, der auf unserem Weg lag? Nein? Gibt es auch. 

Und wo es einen kleinen Ballsaal gibt, da gibt es auch ein eigenes Gewächshaus. Und wo es ein eigenes Gewächshaus gibt, da gibt es auch eine Kapelle. Und wo es eine eigene Kapelle gibt, da gibt es auch ein extra Gebäude, das früher als Unterkunft für die Angestellten diente. Und wo es all diese Dinge zum Entdecken, Erkunden, Staunen und dem Zurückspringen in der Zeit finden lassen, da gab es eben auch Ruhe, Entspannung und Stille. Mitten in der Natur, wenn die bunten Blätter von den Bäumen fielen, wenn die Wolken verschwinden, der Regen langsam nieselt, sich ein Regenbogen am Himmel abzeichnet und das Knistern des Kamins die Räume mit den hohen Wänden und prunkvollen Decken erfüllt.

Haben wir unseren Spaziergang mit den Hunden gemacht, sind wir den Wald hinab gelaufen, bis wir an einen Fluss kamen. Sind wir dem Fluss ein Stück gefolgt und drehten uns dann um, schauten wir den Hang hinauf auf das Anwesen. Immer und immer wieder erinnerte es uns an Burgen und Schlösser aus Filmen, ein bisschen auch an Dracula, wie die Besitzerin selber grinsend meinte. Das Grundstück selbst könnte man ewig ablaufen, eine Brücke, die nun restauriert werden soll, führte früher zu mehreren Obstanlagen. 

Der Charme alter Zeiten lässt sich überall wieder finden. Wir konnten, können und werden wohl nie genug über diese Erfahrung schwärmen. Unsere 5 treuen Fellfreunde haben uns sofort ins Herz geschlossen, jeden Tag wurden wir mit einer riesigen Portion Freude begrüßt. Während die Hunde hoch und heruntersprangen, schnurrten die beiden Katzen um unsere Beine. Wenn wir dachten, wir gehen mit den Hunden spazieren, hörten wir plötzlich rascheln im Wald und die Katzen begleiteten uns. Ein rundum gelungener Housesit in Stille, mitten im Grünen, mitten im Herbst.

Das Schöne an Trusted Housesitters ist, dass man nicht nur eine kostenfreie Unterkunft findet, sondern die Liebe zu Tieren mit der Liebe zum Reisen verbinden kann. Obendrauf hatten wir immer das große Glück, dass unsere Hausbesitzer herzliche Menschen waren, mit denen Freundschaften entstanden sind. Wir stehen als weiterhin in Kontakt und wenn es sich irgendwann noch einmal anbietet, dürfen wir hierher zurückkommen. An einen Ort, an dem die Rehe am Morgen im Vorgarten stehen. Einem Ort, an dem eine Schaukel, an einem alten Baum hängt. Einem Ort, an dem der Fluss im Tal bis in die Zimmer nach oben rauscht. Einem Ort,  an dem wir die Regenbögen täglich mit nichts als Stille um uns herum genießen konnten.

Unsere Tagesausflüge

Unsere Zeit beim Housesitting gestaltet sich so, dass wir in erster Linie die Verantwortung für die Tiere tragen. Wie es eben so abläuft mit Tieren, muss man aber nicht den gesamten Tag zu Hause sein, sondern sind sie versorgt und glücklich, kann man ohne Proeleme für ein paar Stunden raus und die Gegend erkunden. Und genau das haben wir gemacht. 🙂

Ich gehe davon aus, dass du während einer Schottland Reise nicht in New Lanark mit einer Unterkunft sein wirst, sondern wenn dann eher im 45 Minuten entfernten Glasgow. Die Ausflugsziele, die jetzt folgen sind, ohne Probleme mit einem Mietwagen zu erreichen, falls du Lust und Zeit dazu hast. 🙂

Rowallan Old Castle

20 Minuten mit dem Auto von Glasgow entfernt
Die Burg wurde im 19. Jahrhundert erbaut und liegt im Herzen der Landschaft von Ayrshire. Um mehr ein wenig mehr schreiben zu können als “Wir waren hier für ein hübsches Foto”, habe ich eben noch herausgefunden, dass die Burg auch als Hochzeitslocation dient. Auch ein Spaziergang auf dem Gelände bietet sich an. 

Irvine Beach

45 Minuten mit dem Auto von Glasgow entfernt
Manchmal ist doch wirklich alles, was man braucht, ein Ausflug ans Meer. Und genau mit diesem Gedanken haben wir uns ins Auto gesetzt, sind losgefahren und haben einen regnerischen Strandspaziergang gemacht. Bei mehr Sonne sieht der Strand herrlich golden aus und lohnt sich als kleiner Stopp definitiv.  

Loudoun Hill

45 Minuten von Glasgow mit dem Auto entfernt
Eigentlich war es einfach die Szenerie, die mich aus dem Auto heraushüpfen hat lassen. Der Berg, der Regen, der Nebel, die satte grüne Wiese. Manchmal ist es genauso, du sitzt im Auto, fährst nichtsahnend irgendwo lang und zack, taucht einfach dieser Berg auf einer sonst flachen Ebene auf. Statt nur auf dem kleinen Zaun davor zu sitzen, könnte man auch hoch wandern. Der Wanderweg ist 2,4 Kilometer lang, aber es soll steil sein und sehr rutschig bei Regen, also Vorsicht.

New Lanark: UNESCO Weltkulturerbe

30 Minuten mit dem Auto von Glasgow entfernt
New Lanark ist zum einen die Stadt, in der unser Housesit war und zum anderen auch der Name einer alten Arbeitersiedlung. Die Fabriken, die sich hier finden lassen, waren früher Baumwollspinnereien und sind heute UNESCO-Weltkulturerbe dank Robert Owen.
Falls es dich interessiert, nein, wir haben vorher auch nie von Robert Owen gehört, waren jedoch beeindruckt von dem, was wir herausfanden. Gefunden haben wir den Ort übrigens auch nur, weil wir uns schlau gemacht haben, welche Ausflüge nahe von unserem Housesit bei New Lanark liegen.

Robert Owen war der Meinung, dass Arbeiter mit besseren sozialen Bedingungen auch besser arbeiten, recht hat er gehabt. Weil er auf den Gedanken aber zu einer Zeit kam, in der sonst niemand darauf achtete, nämlich von 1800 bis 1825, bekamen die Gebäude den UNESCO-Weltkulturerbe Status. Zu seiner Zeit veränderte es den Alltag und das Leben der Arbeiter, als auf deren Wohlbefinden geachtet wurde. Es wurde eine Schule gebaut, die Prügelstrafen wurden abgeschafft, die Kinderarbeit wurde reduziert,
Pensionversicherungen und Krankenversicherungen wurden eingeführt. Sogar Bibliotheken, Kirchen und ein Dorfladen mit günstigeren Preisen wurden erbaut.

Mit der Zeit verfielen die Fabriken und wurden zu einem Müll- und Schrottplatz. Erst im Jahr 1965 wurde das Gebiet von der New Lanark Conversation Trust zur Instandsetzung übernommen.

Kosten 17€ zur Besichtigung der Gebäude
Wir sind nur auf dem Gelände entlang spaziert und waren nicht in den Gebäuden oder haben an einer Tour teilgenommen.
Und es ist eine kleine, gemütliche Wanderung zu einem Wasserfall auf dem Gelände kostenfrei möglich.

Ein Wasserfall auf dem Gelände 
Bei New Lanark wartet auch noch ein herrlicher Spaziergang mitten durch den Wald, immer am Fluss entlang, bis man auf einen Wasserfall trifft. Wir haben zuerst die Gebäude von außen angeschaut und sind dann gemütlich losgelaufen, immer dem Wasser hinterher, vorbei an den bunten Blättern immer umgeben von der herbstlichen Stimmung.

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